An den eigenen Kindern merkt man am besten, wie alt man mittlerweile geworden ist. So ähnlich ist das auch mit den Spielen, die man in seiner „Gamerkarriere“ durchläuft. Wie ich feststellen muss ist „Der Herr der Ringe Online“ bereits 2007 erschienen – Wahnsinn. Es handelt sich um ein MMO, welches den Spieler in die Regionen Mittelerdes entführt. Die aktuelle Serie „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“ vom Amazon hat mich an meine schöne Zeit in dieser Welt erinnert und ich bin zurückgekehrt.

Rein in das Abenteuer

Neben massiven allgemeinen Änderungen im Laufe der Jahre (Publisher-Wechsel, Serverstruktur, Ingame-Shop…) hat sich natürlich auch inhaltlich viel getan. Ich stelle aber erfreut fest, dass erstaunlich viel des Spiels „free2play“ ist. Da mittlerweile die meisten Klassen und Questgebiete bis in den dreistelligen Bereich (den ich noch gar nicht erreicht habe) kostenfrei ohne Einschränkungen spielbar sind, kann man wirklich enorm viel Zeit mit dem Spiel verbringen, ohne auch nur einen Euro investieren zu müssen.

Ganz schön schön hier

Dabei ist die visuelle Präsentation, die Detailverliebtheit und Abwechselung der Landschaften, sowie in weiten Teilen auch das Questdesign und die kleinen Geschichten am Rande für alle Lesewilligen in meinen Augen nach wie vor große Klasse. Die düstern Minen von Moria, die traumhaften Wälder der Elben, die kargen und bedrohlichen Landschaften Angmars und Mordors oder die verträumte Hügellandschaft der Hobbits – all diese Gebiete lassen sich durchreisen und erforschen. Hierbei wird Buchhandlung und Spielfiktion insbesondere in der epischen Questreihe gekreuzt. Für Herr der Ringe Fans ein wahrer Genuss. Dies wird noch untermauert durch zahlreiche Referenzen und Eastereggs, die sich überall in der Welt finden lassen.

Besonders schön ist auch die akustische Untermalung. Für jedes Gebiet gibt es ein Thema, das oftmals die Stimmung hervorragend unterstreicht. So ist eine der größten Stärken des Spiels für mich das Innehalten und Genießen.

Fuchs dich rein

Zahlreiche Mechaniken haben sich im Laufe der Zeit gewandelt und müssen erst wiederentdeckt werden. Insgesamt sind viele Funktionen und Mechaniken auch gut versteckt und müssen zunächst gefunden werden. Zum Beispiel werden legendäre Waffen nicht „wie damals“ direkt gelevelt, stattdessen werden die Erfahrungspunkte, die es nach wie vor als Belohnung gibt, in einer Erfahrungsleiste gesammelt und können schrittweise in Belohnungen eingetauscht werden. Die Belohnungen können dabei sehr attraktiv sein und enthalten nicht nur Tauschwährungen für die Entwicklung eurer legendären Gegenstände (Tauschort ist in Bruchtal – Heimeliges Haus 1. OG links), sondern auch kosmetische Gegenstände. Bei meiner Stippvisite in Mittelerde konnte ich so zum Beispiel sogar ein Mount erspielen. Da die Belohnungsleiste in gewissen Zeitabständen zurückgesetzt und mit neuen Belohnungen versehen wird, kann man hier immer wieder interessante Dinge abstauben.

Man muss es nur wissen. Und das stellt ein gewisses Problem dar, denn am Anfang ist man oft verloren und durchaus demotiviert, weil man keinen Ansatzpunkt hat den Spielfluss fortzusetzen. Wenn es dir genauso geht empfehle ich dir drei Dinge.

Erstens: Spiele nicht überhastet. Schließe zunächst alle Aufgaben eines Gebietes ab, bevor du weiterreist. Auch dann, wenn du Aufgaben erhältst, die dich in ein anderes Gebiet locken. Ignoriere diese zunächst, bis du vor Ort keine weiteren Aufgaben erhältst. Wenn du dich am Anfang an diesen Grundsatz richtest, wirst du in sehr viele Mechaniken in einem sinnvollen Tempo durch das Spiel eingeführt, wenn du die entsprechenden Hinweise liest.

Zweitens: Setze dir zwei bis drei Ziele, die du neben dem Questen erfüllen möchtest. Crafting, Buch der Taten, Ruf farmen für einen bestimmten Belohnungsgegenstand einer Fraktion – ganz egal. Wenn du mehrere Ziele hast, kannst du die Motivation erhalten wenn du einmal „feststeckst“, da du eine Ausweichoption hast.

Drittens: Schau dich auf Community-Seite um, um wichtige „Geheimnisse“ mitzubekommen. Egal ob Blog, Forum oder Reddit – Viele Tipps und Inspirationen kann man so von Mitabenteurern aufnehmen. So wirst du auch viele Feinheiten an „Der Herr der Ringe Online“ entdecken, die das Spiel so liebenswert machen. Zierwerk, Housing und Musik sind nur drei Beispiele für ganze Metaebenen, die geboten werden.

Standing Stone Games – Kümmert euch um die Server! Verdammt nochmal!!!

Es gibt natürlich auch Dinge, die mir nicht gefallen. Während ich die Grafik insgesamt auch nach 15 Jahren noch sehr ansehnlich finde, sind die Animationen und die Charakterdetails leider merklich nicht mehr zeitgemäß. Auch dem UI merkt man an sehr vielen Stellen an, dass es für ganz andere Bildschirmdimensionen, bzw. Auflösungen entworfen wurde. Das alles ist finde ich aber wirklich hinnehmbar. Dagegen sind die spürbaren und teilweise sehr lang anhaltenden Serverlags wirklich echte Spielspaßkiller. Während dem gemütlichen Soloquesten mag dies noch halbwegs ertragbar sein, im Endgame in Instanzen stelle ich mir das Frustpotential jedoch gewaltig vor. Angeblich wird daran gearbeitet – allein die Zeit wird zeigen, ob dieses Manko noch abgestellt werden kann. Ich persönlich befürchte, dass hier das Optimierungspotential nicht so herausragend ist, da schon der Serverstandort in den Vereinigten Staaten die Hauptursache sein wird und diese Grundsatzentscheidung wohl zementiert ist.

Spielerisch ist es etwas schade, dass Gruppeninhalte einen massiven Schwerpunkt im Endgame haben. Instanzen im Niedrig-Level-Bereich werden kaum gelaufen. Hier muss man sich eine nette Sippe suchen oder sehr lange nach Mitspielern suchen, um eine entsprechende Gruppe auf die Beine zu stellen.

Ist „Der Herr der Ringe Online“ heute noch einen Blick Wert?

Wer die Fantasie-Welt Tolkiens und Old-School-MMOs mag, wird mit „Der Herr der Ringe Online“ nach wir vor eine fantastische Zeit haben. Für mich auch 2022 eine klare Empfehlung.